Interne Haftung: Haftung Gegenüber der Gesellschaft
Geschäftsführer müssen ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen. Tun sie das nicht und machen sie dabei Fehler, führt das noch nicht automatisch zur persönlichen Haftung. Erst wenn kein vernünftig denkender Geschäftsführer in der gleichen Situation so gehandelt hätte, könnte das eine persönliche Haftung begründen. Erforderlich ist ein sogenannter ernsthafter Vorwurf (ernstig verwijt). Darunter fällt zum Beispiel die Nichtbeachtung des in der Satzung einer B.V. üblichen Zustimmungskatalogs durch den Geschäftsführer. Auch im Falle von Interessenskonflikten mit der Gesellschaft und der Nutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft für sich selbst droht eine persönliche Haftung des Geschäftsführers.
Es gilt zudem das Prinzip der kollektiven Haftung: Geschäftsführer haften grundsätzlich gemeinsam für ihre Fehler. Eine interne Verteilung ihrer Aufgaben kann daran nur bedingt etwas ändern und es ist somit nicht leicht, sich individuell von der Haftung zu exkulpieren. Auch nützt es nichts, eine B.V. als Geschäftsführerin der Gesellschaft (anders als in Deutschland ist das in den Niederlanden möglich und sehr üblich) „zwischenzuschalten“. Das Gesetz enthält dazu einen gesetzlichen Haftungsdurchgriff auf natürliche Personen.
Ein spezieller Fall der internen Haftung betrifft die Haftung von Geschäftsführern bei der Ausschüttung von Dividenden. Eine Dividendenausschüttung kann in den Niederlanden nicht ohne Weiteres vorgenommen werden. Bevor die Ausschüttung vorgenommen wird, muss erst eine sogenannte Bilanzprüfung (balanstest) und Ausschüttungsprüfung (uitkeringstest) stattfinden.
Anhand der Ausschüttungsprüfung muss festgestellt werden, ob die B.V. ihre Zahlungsverpflichtungen nach der Ausschüttung weiterhin erfüllen kann. Die Geschäftsführung muss dabei prüfen, ob die Ausschüttung nicht die Zahlungen an andere Gläubiger gefährdet. Die Frage, ob die B.V. ihre Zahlungsverpflichtungen nach der Ausschüttung erfüllen kann, muss für einen Zeitraum von grundsätzlich einem Jahr ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung der Dividende beantwortet werden. Dieser Zeitraum kann länger sein, wenn die Geschäftsführung zum Beispiel bereits weiß, dass in anderthalb Jahren eine große (Steuer-)Verbindlichkeit fällig wird und gezahlt werden muss.
Die Bilanzprüfung bedeutet, dass eine Dividende nur ausgeschüttet werden darf, wenn das Eigenkapital die gesetzlichen Rücklagen übersteigt. Ist dem nicht so, darf die Geschäftsführung der Dividendenausschüttung nicht zustimmen.
Externe Haftung: Haftung Gegenüber Dritten
Wichtiges Beispiel für die externe Haftung ist die persönliche Haftung eines Geschäftsführers im Falle der Insolvenz der B.V. Wenn zum Beispiel der Jahresabschluss der Gesellschaft nicht fristgerecht erstellt und veröffentlicht wurde (innerhalb von zwölf Monaten) oder die Bücher der Gesellschaft nicht ordnungsgemäß geführt wurden, wird unwiderlegbar davon ausgegangen, dass die Geschäftsführung ihre Aufgaben offensichtlich schlecht erfüllt hat (kennelijk onbehoorlijk bestuur). Wenn das dann auch noch als wichtige Ursache für die Insolvenz angesehen werden kann, ist der Weg zur persönlichen Haftung sämtlicher Geschäftsführer nicht mehr weit. Besonderheit: Es handelt sich dabei um eine exklusive Befugnis des Insolvenzverwalters. Der Nachweis des Gegenteils ist schwierig.
Eine ähnlich gelagerte persönliche Haftung von Geschäftsführern gibt es im Falle der Nichtzahlung bestimmter Steuern und Sozialabgaben. So ist es beispielsweise sehr wichtig, die Rentenbeiträge und die Lohnund Umsatzsteuern in den Niederlanden rechtzeitig zu zahlen. Ein Geschäftsführer, der den niederländischen Fiskus nicht rechtzeitig darüber informiert, dass sein Unternehmen nicht in der Lage ist, diese Steuerschulden zu begleichen, läuft erhebliches Risiko, für die ausstehenden Steuerschulden persönlich haftbar gemacht zu werden.
Gemäß dem sogenannten Zweiten Antimissbrauchsgesetz muss eine Gesellschaft dem Fiskus unverzüglich melden, dass sie ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann. Unverzüglich heißt, dass spätestens innerhalb von 14 Tagen nach dem Tag, an dem die Steuerschuld hätte bezahlt werden müssen, eine Meldung an den Fiskus ergehen muss. Der Fiskus prüft diese Meldung binnen zwei Monaten nach Eingang. Aufgrund des Coronavirus haben viele Unternehmen momentan Schwierigkeiten, ihre Zahlungsverpflichtungen fristgerecht oder aber auch erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfüllen. Es ist sehr wichtig, sich in dieser Situation unverzüglich mit dem Fiskus in Verbindung zu setzen und einen Zahlungsaufschub wegen der Folgen des Coronavirus zu beantragen. Im Moment ist es nicht nötig, eine gesonderte Meldung wegen Zahlungsunfähigkeit einzureichen.
Denkbar sind schließlich noch Fälle der persönlichen Haftung von Geschäftsführern im Bereich der unerlaubten Handlung (onrechtmatige daad); dann aber nur individuell und nicht kollektiv. Wenn ein Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft Verpflichtungen eingeht, obwohl er weiß oder wissen muss, dass die Gesellschaft diese nicht wird erfüllen können, haftet er dafür unter Umständen Dritten gegenüber persönlich. Der Geschäftsführer geht in dem Fall also zu leichtsinnig Verträge ein. Eine weitere Haftungskonstellation wäre folgende: Der Geschäftsführer bewirkt, dass die Gesellschaft ihre Gläubiger nicht bezahlt und dass die Gesellschaft diese auch nicht bezahlen kann, also er frustriert Zahlung und Befriedigung. Wie bei der internen Haftung ist auch in diesen beiden Fällen ein ernsthafter Vorwurf erforderlich, damit der Geschäftsführer nicht allzu schnell persönlich haften würde. Auch Fälle von sogenannter selektiver Zahlung (nur bestimmte Gläubiger werden bezahlt) können in manchen Situationen eine persönliche Haftung des Geschäftsführers nach sich ziehen.